Alte Märchen

#62 Alte Märchen - Die Bienenkönigin

Ein Märchen der Gebrüder Grimm

Veröffentlicht am 14.02.2021 / 00:01

Anmerkungen
Ein Märchen der Gebrüder Grimm

Von drei Königssöhnen ist der jüngste angeblich der Dümmste. Doch wer Gutes tut, dem wird auch selbst Gutes widerfahren. Das müssen auch die beiden älteren Brüder in unserem heutigen Märchen lernen.

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Die Bienenkönigin

Zwei Königssöhne gingen einmal ins Abenteuer und gerieten in ein wildes, wüstes Leben, sodass sie gar nicht wieder nach Haus kamen. Ihr jüngster Bruder, welcher der Dummling hieß, machte sich auf und suchte seine Brüder. Aber als er sie endlich fand, verspotteten sie ihn, dass er mit seiner Einfalt sich durch die Welt schlagen wollte, und sie zwei wären doch viel klüger als er.

Sie zogen zu dritt miteinander fort und kamen an einen Ameisenhaufen. Die zwei ältesten wollten ihn aufwühlen und schauen, wie die kleinen Ameisen in der Angst herumkröchen und ihre Eier forttrügen, aber der Dummling sagte: "Laßt die Tiere in Frieden, ich will nicht, dass ihr sie stört!"

Da gingen sie weiter und kamen an einen See, auf dem viele, viele Enten schwammen. Die zwei Brüder wollten ein paar fangen und braten, aber der Dummling ließ es nicht zu und sprach: "Laßt die Tiere in Frieden, ich will nicht, dass ihr sie tötet!"

Endlich kamen sie an ein Bienennest, darin war so viel Honig, dass er am Stamm herunterlief. Die zwei wollten Feuer unter den Baum legen und die Bienen ersticken, damit sie den Honig wegnehmen könnten. Der Dummling hielt sie aber wieder ab und sprach: "Laßt die Tiere in Frieden, ich will nicht, dass ihr sie verbrennt!"

Endlich kamen die drei Brüder in ein Schloß. In den Ställen standen lauter steinerne Pferde, und es war auch kein Mensch zu sehen, und sie gingen durch alle Ställe, bis sie vor eine Türe ganz am Ende kamen, davor hingen drei Schlösser; es war aber mitten in der Türe ein Lädlein, dadurch konnte man in die Stube sehen. Da sahen sie ein graues Männchen, das an einem Tisch saß. Sie riefen zu ihm, einmal, zweimal, aber das Männchen hörte nicht. Endlich riefen sie zum drittenmal; da stand es auf, öffnete die Schlösser und kam heraus. Es sprach aber kein Wort, sondern führte sie zu einem reichbesetzten Tisch; und als sie gegessen und getrunken hatten, brachte es jeden in ein eigenes Schlafgemach.

Am nächsten Morgen kam das graue Männchen zu dem ältesten, winkte und leitete ihn zu einer steinernen Tafel, darauf standen drei Aufgaben geschrieben, wodurch das Schloß wieder erlöst werden könnte. Die erste war: In dem Wald unter dem Moos lagen die Perlen der Königstochter, tausend Stück an der Zahl; die müssen aufgesucht werden, und wenn vor Sonnenuntergang noch eine einzige fehlte, so wird der, welcher gesucht hatte, zu Stein. Der älteste ging hin und suchte den ganzen Tag, als aber der Tag zu Ende war, hatte er erst hundert gefunden; es geschah, wie auf der Tafel stand: Er wurde in Stein verwandelt. Am folgenden Tage unternahm der zweite Bruder das Abenteuer; es ging ihm aber nicht viel besser als dem ältesten, er fand nicht mehr als zweihundert Perlen und wurde zu Stein. Endlich kam auch der Dummling an die Reihe, der suchte im Moos; aber es war aber so, die Perlen zu finden, und ging so langsam voran. Da setzte er sich auf einen Stein und weinte. Und wie er so saß, kam der Ameisenkönig, dem er einmal das Leben gerettet hatte, mit fünftausend Ameisen, und es dauerte gar nicht lange, so hatten die kleinen Tiere die Perlen gefunden und sie auf einen großen Haufen getragen.

Die zweite Aufgabe war es, den Schlüssel der Schlafkammer der Königstochter aus dem See zu holen. Wie der Dummling zum See kam, schwammen dort die Enten, die er einmal gerettet hatte. Sie kamen heran, tauchten unter und holten den Schlüssel aus der Tiefe.

Die dritte Aufgabe war aber die schwerste: Von den drei schlafenden Töchtern des Königs sollte die jüngste und liebste herausgesucht werden. Sie glichen sich aber vollkommen untereinander und sie waren durch nichts verschieden, außer bevor sie eingeschlafen waren, verschiedene Süßigkeiten gegessen hatten, die älteste ein Stück Zucker, die zweite ein wenig Sirup, die jüngste einen Löffel Honig. Da kam die Bienenkonigin von den Bienen, die der Dummling vor dem Feuer geschützt hatte, und versuchte den Mund von allen dreien, zuletzt blieb sie auf dem Mund sitzen, der Honig gegessen hatte, und so erkannte der Königssohn, welche Tochter die Richtige war.

Da war der Zauber vorbei, alles war aus dem Schlaf erlöst, und wer von Stein war, erhielt seine menschliche Gestalt wieder. Und der Dummling vermählte sich mit der jüngsten und liebsten Tochter und wurde König nach dem Tod ihres Vaters. Seine zwei Bruder aber heirateten die beiden andern Schwestern.