Alte Märchen

#48 Alte Märchen - Von dem Mäuschen, Vögelchen und der Bratwurst

Ein Märchen der Gebrüder Grimm

Veröffentlicht am 08.11.2020 / 00:01

Anmerkungen
Ein Märchen der Gebrüder Grimm

In unserem heutigen Märchen ziehen eine Maus, ein Vogel und eine Bratwurst in eine Wohngemeinschaft. Und auf wundersame Weise geht zunächst alles gut. Doch was passiert, wenn sie die Aufgaben im Haushalt tauschen? Werden unsere Protagonisten mit ihrer neuen Arbeit zurecht kommen?

Du wünschst dir, dass wir ein ganz bestimmtes Märchen vorlesen? Du hast Feedback zu diesem Podcast? Schreib uns gerne eine E-Mail an altemaerchen@julep.de

Von dem Mäuschen, Vögelchen und der Bratwurst

Es waren einmal ein Mäuschen, ein Vögelchen und eine Bratwurst in eine Gesellschaft geraten und sie hatten einen Haushalt geführt, lange wohl und köstlich im Frieden gelebt, und viele Güter zusammengesammelt. Die Arbeit des Vögelchens war es, dass es täglich in den Wald fliegen und Holz sammeln musste. Die Maus sollte Wasser tragen, Feuer anmachen und den Tisch decken, die Bratwurst sollte kochen.

Wem zu aber zu gut geht, der will immer neue Dingen! Als eines Tages das Vöglein einen anderer Vogel traf, dem es seine treffliche Gelegenheit erzählte und rühmte. Derselbe andere Vogel schalt es aber einen armen Tropf, der große Arbeit, die beiden zu Haus aber gute Tage hätten. Denn, wenn die Maus ihr Feuer angemacht und Wasser getragen hatte, so begab sie sich in ihr Kämmerlein zur Ruhe, bis man ihr befiehlt den Tisch decken. Das Würstlein aber bleibt zu Hause und sieht zu, dass die Speise wohl kochte, und wenn es Essenszeit war, schlingt es sich vier mal durch den Brei oder das Gemüse, so war es geschmalzen, gesalzen und bereitet. Kam dann das Vöglein heim und legte sein Holz ab, so saßen sie alle am Tisch, und nach dem Essen schliefen sie alle bis an den nächsten Morgen; und das war ein herrliches Leben.

Das Vöglein wollte dann aber am nächsten Tag nicht mehr zum Holz, und sagte, es wäre lang genug Knecht gewesen, und hätte gleichsam ihr Narr sein müssen, sie sollten einmal umwechseln und es auf eine andere Weise auch versuchen. Und wiewohl die Maus und auch die Bratwurst heftig dafür bat, so war der Vogel doch Meister: es mußte gewagt sein, und sie losten darum. So musste die Bratwurst das Holz tragen, die Maus wurde zum Koch, und der Vogel sollte das Wasser holen.

Und was ist geschehen? Das Bratwürstchen zog fort Holz holen, das Vöglein machte Feuer an, die Maus stellte den Topf an, und erwarteten allein, bis Bratwürstchen heim käme und Holz für den andern Tag brächte. Es blieb aber das Würstlein so lang unterwegs, dass ihnen beiden nichts Gutes vorkam, und so das Vöglein ihm ein Stück entgegenflog. Nicht weit entfernt aber findet es einen Hund am Weg, der das arme Bratwürstchen als Beute angesehen, es gepackt und gefressen hat. Das Vöglein beschwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubes sehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn, sprach der Hund, er hätte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen wäre es seins.

Das Vöglein, traurig, nahm das Holz, flog heim und erzählte, was es gesehen hatte. Sie waren sehr betrübt, verglichen sich aber, das Beste zu tun und beisammen zu bleiben. Nun deckte das Vöglein den Tisch und die Maus machte das Essen fertig und wollte anrichten, und in den Topf, wie zuvor das Würstlein, durch das Gemüs schlingen und schlupfen, dasselbe zu schmälzen: aber ehe sie in die Mitte kam, ward sie angehalten und mußte Haut und Haar und dabei das Leben lassen.

Als das Vöglein kam und das Essen servieren wollte, da war kein Koch vorhanden. Das Vöglein warf bestürzt das Holz hin und her, rufte und suchte, konnte aber seinen Koch nicht mehr finden. Weil das Vöglein so unachtsam war, fing das Holz feuer. Das Vöglein eilte, Wasser zu holen, da entfiel ihm der Eimer in den Brunnen, und das Vöglein mit ihm hinab, dass es sich nicht mehr erholen konnte und im Brunnen ertrinken musste.